Zweite Reise nach Darjeeling

Teepflücker in Darjeeling

Teepflücker in Darjeeling

Bericht über eine weitere Reise mit der Teekampagne nach Darjeeling im März 2015 – ein Wiedersehen mit Freunden und der faszinierenden Natur

Wie schon im April 2013 hatte ich jetzt erneut die Gelegenheit, die Teekampagne anlässlich einer Reise mit Journalisten bei einer 6 tägigen Reise durch die wunderbare Bergregion und die Teegärten Darjeelings zu begleiten.

Da der Reiseverlauf in etwa dem Verlauf der Reise von vor zwei Jahren entsprach, möchte ich den Leser zunächst auf meinen damaligen, ausführlichen Reisebericht verweisen (siehe: Eine Reise nach Darjeeling / Nordindien, April 2013), der an Aktualität nichts verloren hat. Im Gegenteil – beim Lesen meines damaligen Berichtes kam es mir jetzt so vor, als hätte ich ihn gerade erst geschrieben. Insofern fasse ich mich im Folgenden kurz und ergänze meine damaligen Erkenntnisse und Erfahrungen lediglich um aktuelle Daten, Fakten und Erlebnisse. Das gleiche gilt für die beigefügte Fotogalerie, in der ich erneut versuche, der faszinierenden Natur und den Menschen bei der Arbeit oder beim Beobachten des täglichen Lebens gerecht zu werden.

1. Anreise und Reiseroute
Das Darjeeling-Abenteuer begann erneut am Flughafen von Bagdogra – allerdings nach einer ziemlich langen und anstrengenden Anreise. Bedingt durch den kurzfristigen Pilotenstreik bei der Lufthansa konnten wir nicht, wie geplant, von München nach Delhi fliegen, sondern mussten den Umweg über London nehmen, was unsere Anreise unfreiwillig auf über 24 Stunden verlängerte.

Entsprechend übernächtigt kamen wir in Bagdogra an, wo mich allerdings eine Überraschung erwartete und schnell wieder wach werden ließ: eine Abordnung von würdigen Herren und Fotografen kam direkt auf mich zu, sie begrüßten mich mit dem obligatorischen Schal und erklärten mir, „ You are the Millionth Passenger at Bagdogra Airport, Thank You!“ Ich wurde fotografiert, musste diverse Hände schütteln, bekam als Trophäe ein „indisches Tanzpaar in traditioneller Kleidung“, mit den besten Wünschen der Regierung von Westbengalen und des Flughafendirektors! In dem ganzen Trubel vergaß ich zu fragen, ob ich jetzt hier zukünftig Diplomatenstatus habe bzw. auf welchen Zeitpunkt sich die 1 Million Besucher bezog.

Unsere Reiseroute sah zunächst den Besuch des Teegartens Tindharia vor. Die Fahrt dorthin auf engen und abenteuerlich steilen Pfaden, war ein Vorgeschmack für unsere Reisegruppe, welche Strapazen uns verkehrstechnisch in den nächsten Tagen erwarteten – auf jeden Fall nichts für ängstliche Gemüter! Wir wurden entschädigt durch die Gastfreundschaft des Besitzers und langjährigen Partners der Teekampagne, Anshuman Kanoria. Leider wurde uns bei dieser Gelegenheit auch schon deutlich, dass wir bezüglich der Ausblicke auf die wunderbare Bergwelt erneut die falsche Jahreszeit ausgewählt hatten. Durch die lange Trockenperiode lag während unserer ganzen Reise eine Staub-, Rauch- und Dunstglocke über der Landschaft, die alle natürlichen Farben auf halbmatt filterte und Ausblicke auf die schneebedeckten Achttausender des Himalayas verhinderte. Da wir auf Geschäftsreise waren, konnten wir nur bedauernd zur Kenntnis nehmen, dass die beste touristische Reisezeit für Darjeeling die Herbstmonate sind. Ironischerweise erfuhren wir nach unserer Rückkehr, dass nach unserer Abreise endlich der ersehnte Regen kam und für kurze Zeit den Dunstschleier vor der grandiosen Bergwelt vertrieb.

Unser Reiseplan sah zwei Übernachtungen im historischen Hotel Windamere in Darjeeling Stadt und drei Übernachtungen in den Teegärten von Chamong und Ambootia vor. Die Reisegruppe sollte einen möglichst umfassenden Eindruck über das Leben und Arbeiten in der Stadt und in den Teegärten erhalten, sowie die Bedeutung nachhaltigen Wirtschaftens in der Region anhand diverser Beispiele anschaulich erleben.

2. Hotel Windamere, Stadt Darjeeling und Toy Train
Für Leser, die eine touristische Reise nach Darjeeling planen, gehe ich im Folgenden kurz auf das historische Hotel, die Stadt Darjeeling und die Fahrt mit dem ebenfalls historischen Toy Train ein.

Das Windamere Hotel ist eines der ältesten Kolonialhotels des Hamalayas. Das frühere Boardinghouse wurde Anfang des letzten Jahrhunderts überwiegend von englischen Teepflanzern und in deren Gefolge von Ingenieuren, Lehrern, Zivilbeamten etc. genutzt. Kurz vor dem Ausbruch des 2. Weltkrieges wurde das Anwesen in ein Hotel umgewandelt. Es liegt malerisch auf dem Observatory Hill und erlaubt sowohl Ausblicke auf die unterhalb liegende Stadt, als auch bei klarem Wetter auf die Bergwelt von Sikkim, Bhutan und Nepal. Bevor die Engländer kamen, war das Land Teil des Königreichs von Sikkim. Ein Lama eines nahe gelegenen Klosters erklärte damals, dass der Observatory Hill über „holy and energetic powers“ verfüge. Das heutige Hotel besteht aus verschiedenen, dezentralen Häusern mit „full planters suites“, Cottages, Konferenzcenter, Bar, Wellness etc. und atmet in allen Räumen die glanzvolle koloniale Geschichte. Die heutige Eigentümerin führt ihren Gästen gerne einen Film über die alten, glorreichen Zeiten vor, über die Feste, die hier gefeiert wurden, das Clubleben der englischen Planters etc. – ein interessanter, nostalgischer Blick zurück. Nach unserer anstrengenden Anreise genossen wir die „holy and energetic power“ dieses außergewöhnlichen Hotels und schöpften die Kraft für die spannenden und sicher auch neue Kräfte fordernden nächsten Tage.

Zur Stadt Darjeeling zitiere ich mich aus meinem Reisebericht von 2013 selbst, (Eine Reise nach Darjeeling / Nordindien, 2013, Kapitel 3):
„Ungeachtet aller infrastruktureller Probleme wirkt die Stadt / Region zwar arm, aber keineswegs so elend, wie andere indische Großstädte. Es gibt keine Bettelei, keine Slums, keinen überbordenden Dreck und Müll. Das Straßenbild ist bunt, die Kleidung teils traditionell, teils modern. Die Menschen gehen ohne Hektik ihren Beschäftigungen nach, sie wahren eine natürliche Distanz zu den Gästen, sind zurückhaltend freundlich. Der Stadt Darjeeling merkt man an vielen Plätzen und Gebäuden ihre koloniale Vergangenheit noch an, aber überall blättert die Farbe und der Putz – der Verfall ist kaum aufzuhalten. Als Besucher fanden wir die morbide Stadt zwar malerisch, aber der knappe und teure Wohnraum bereitet der Bevölkerung große Probleme, zumal die Einwohnerzahl durch den Zuzug von jenseits der Grenzen ständig wächst.“

Unser diesjähriger Bummel durch Darjeeling Stadt bestätigte meine Beobachtungen von 2013 nicht nur, die Probleme schienen mir durch einen noch gewachsenen Autoverkehr und eine fast ungezügelte Bautätigkeit sogar verstärkt. Buchstäblich jeder freie Meter an den steilen Hängen in und um die Stadt wird bebaut, mit allen bekannten Nebenwirkungen.

Unverändert blieben die zurückhaltende Freundlichkeit der Bevölkerung, das bunte, geschäftige Treiben in den engen Gassen, die faszinierenden Gesichter in diesem Völkergemisch und der nostalgische Charme einer ehemals blühenden Kolonialstadt, in die die Engländer vor der Hitze der Ebene auswichen und das gesellschaftliche Leben bis zum Beginn der 2. Weltkrieges bestimmten.

Ein touristisches Unikum ist die Fahrt mit der von den Engländern gebauten Schmalspurbahn, dem s.g. Toy Train. Er hat wohl früher die Stadt mit den notwendigen Gütern versorgt, ist aber zwischenzeitlich zur reinen nostalgischen Touristenattraktion verkommen. In dem sowieso schon engen und von Abgasen belasteten Tal windet sich der mit Kohle oder Diesel betriebene Zug stinkend und pfeifend durch die Gegend – sehr zur Freude der Touristen, die für 2 Stunden alle guten Nachhaltigkeitsvorsätze vergessen. Zum Glück fährt der Zug nur noch eine relativ kurze Strecke, bevor er auf einem gigantischen Loop wieder umdreht. Dass die Teekampagne / Projektwerkstatt maßgeblich dazu beitrug, das Gelände des Batasia-Loops biologisch nachhaltig zu verschönern, geht in dem Rummel leider fast unter. Nur einige verstaubte Schilder weisen auf diesen Kampf gegen „touristische Windmühlenflügeln“ hin.

3. Nachhaltiger Teeanbau
In meinem nun schon öfters zitierten Reisebericht von 2013 bin ich in den Kapiteln 4/5 sehr ausführlich auf die “Geheimnisse“ des ökologischen Teeanbaus und die Vorreiterrolle, die die Teekampagne in den letzten 30 Jahren dabei spielte, eingegangen. Interessierte Leser finden dort auch alles Wissenswerte zur konkreten Teeproduktion, sowie den „sozialen Fragen“ bezüglich der Arbeiter / innen in den Teegärten und den weiteren Nachhaltigkeitsprojekten in Zusammenarbeit mit WWF.

Es war mir eine große Freude, zu beobachten, dass sich beim jetzigen Besuch in den Teegärten von Thindaria, Puttabong, Singell, Tumsong, Marybong und Ambootia bestätigte, dass die Teeproduzenten die Zeichen der Zeit erkannt haben und dem pestizidfreien, nachhaltigen Teeanbau und einer bio dynymischen Agrarwirtschaft größte Bedeutung beimessen. In vielen Gesprächen vor Ort – auch mit der nachrückenden, jungen Generation – wurde uns immer wieder bestätigt, dass das langfristige Überleben des Teeanbaus im steilen Gelände von Darjeeling ausschließlich von höchsten und nachhaltig produzierenden Qualitätsstandards abhängt. Dass dabei die Natur mit ausreichenden und rechtzeitigen Regenfällen mitspielen muss, ist vom Menschen nicht zu beeinflussen, der Rest schon!
Ein positives Beispiel für nachhaltiges Handeln lieferte z.B. die Chamonggruppe bei der Einweihung einer neuen Fabrik, bei der wir teilnehmen durften. Während bisher 2 Kg Kohle für die Produktion von 1 KG Tee benötigt wurde, wird in der neuen Fabrik ausschließlich mit Gas gearbeitet – für 1 KG Tee werden nur noch 150 Gramm Gas benötigt!

Eindrucksvoll waren bei den Eröffnungsfeierlichkeiten auch die „machtvollen“ Reden der Gewerkschaftsvertreter, die den Eigentümer Loha dafür lobten, dass er seine sozialen Zusagen beim Kauf des ehemals völlig herunter gewirtschafteten Teegartens eingehalten und die bei der Übernahme entlassenen Arbeiter alle wieder eingestellt habe. Die Gewerkschaftsvertreter und der anwesende Minister forderten die Mitarbeiter auf, jetzt Ihrerseits alles zu tun, dass die neue Fabrik die notwendige Produktivität erreicht. Bei uns nannte man das früher „Sozialpartnerschaft“!
Dass in teilweise langwierigen Arbeitskämpfen Lohnsteigerungen von 40 % und mehr erkämpft wurden und ab 1.4. 2015 zum Tragen kommen, steht auf einem anderen Blatt. Hinzu kommen erhebliche Mehraufwendungen für das Erziehungs – und Gesundheitswesen in den Teegärten. Die Kunden in aller Welt werden deshalb mit Preissteigerungen beim Darjeelingtee rechnen müssen – was aber aus meiner Sicht für diesen „champagne of beverages“ richtig und berechtigt ist.

Meinen touristisch interessierten Lesern möchte ich dringend empfehlen, beim Darjeeling-Besuch unbedingt auch in den Gästehäusern der genannten Teegärten zu übernachten. Man erlebt dort nicht nur hautnah die Schönheit und Unberührtheit der Natur, sondern auch die Härte der Arbeit der Pflückerinnen im steilen Gelände, den aufwändigen Produktionsprozess des Tees, das ungefilterte Leben in den Dörfern und nicht zuletzt die indische Gastfreundschaft.
Ich war auch dieses Mal wieder außerordentlich beeindruckt vom Besuch einer Schule, den ich spontan und ohne Begleitung in einem Dorf unternahm. Der Eifer und die Disziplin, mit der die 6 -10 Jährigen bei der Sache waren, war enorm. Ich fragte den Lehrer, ob die Schüler Englisch lernen, wie alt sie seien etc. Er sagte lächelnd „fragen Sie sie“! Ich fragte einen kleinen Jungen, der in seiner adretten Schuluniform aufsprang und ungeniert in bestem Englisch seinen Namen, sein Alter etc. nannte und höflich mit …“Sir“ endete. Vermutlich werden diese Kinder später nicht mehr in den Teegärten arbeiten, da kommt mittelfristig möglicherweise ein neues (Migranten-) Problem auf die Teegärten zu.
Spannend war für mich auch der Besuch in einem von der Teekampagne und WWF unterstützten „Biodorf“. Die Blütenpracht, die Vielfalt an Früchten und Gemüse, die Honigproduktion, das begleitende Vogelkonzert waren unvergesslich. In den Jahren der chemischen Düngung waren die Vögel in Darjeeling praktisch ausgestorben – was für ein Gegensatz zu heute, auch was die Erholung der sonstigen Kleintierwelt betrifft.

4. Schlussbemerkungen
Ich bedanke mich bei der Teekampagne, dass ich meine Eindrücke von 2013 bei dieser Reise nochmal vertiefen konnte. Ich werde kein Problem haben, wenn mein geliebter Darjeelingtee in Zukunft teurer wird – dafür habe ich die Gewähr höchster Qualität und dabei noch ein gutes Gefühl, was die Arbeitsbedingungen vor Ort und den fairen Umgang mit den Produzenten betrifft.
Ich kann meinen Lesern das Abenteuer Darjeeling nur empfehlen – die Anreise und das Reisen in Darjeeling ist zwar anstrengend und teilweise beschwerlich, aber der Lohn sind unvergessliche Bilder und Eindrücke von Begegnungen mit Mensch, Natur und Kultur! Reisen Sie möglichst im Herbst, dann bekommen Sie als Zugabe die Ausblicke auf die majestätischen Acht-Tausender des Himalayas.
Zum Schluss zitiere ich den Tea Board of India mit einer Ode auf den Tee aus Darjeeling:

„In Darjeeling frohlockt das Leben. Unter dem strahlenden Lächeln der Teepflückerinnen geht die Sonne über den Gärten auf. Und in der Ferne ragen die schneebedeckten Gipfel des Kanchenjuga in den in Morgenröte getauchten Himmel. Dicke Wolken und kühle Bergluft durchkämmen die Gärten und klarer Bergregen reinigt sie. Nur in diesem einzigartigen Klima kann sich das feine Aroma des Darjeeling Tees entwickeln. Und im Morgengrauen, wenn die Vögel zu singen beginnen, verwandeln die Sonnenstrahlen den feuchten Dunst in Perlen von Tau auf den Blättern. Gemächlich zieht die Sonne am Himmel ihre Bahn. Die Gebirgsnacht summt ihre ureigene Melodie – man kann sie kaum hören, aber umso deutlicher spüren. Eine kühle, rauschende Brise tanzt über das Land. Hier ist die Welt so majestätisch wie der Tee, der aus ihr entstammt.“

Ich wünsche allen Lesern diesen anregenden Hochgenuss!

Klaus Weidner April 2015

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Ich kann meinen Lesern Darjeeling nur empfehlen – das Reisen in Darjeeling ist zwar anstrengend und beschwerlich, aber der Lohn sind unvergessliche Bilder und Eindrücke
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