Ein kunstvoller Tag im Dorsoduro einem Stadtteil von Venedig, ein Reisebericht im Oktober 2011
Den warmen und sonnigen Sonntagnachmittag nutzen überwiegend die Einheimischen, um die Uferpromenade Zattere in sonntäglichen „Carnevale“ zu verwandeln – es geht bunt, laut und lustig zu, die Restaurants am Ufer und die Eiskaffees sind voll – allen voran das Nico, das als eine der besten Eisdielen der Stadt gilt. Es ist aber auch ein äußerst schönes Schauspiel, am Ufer der Lagune zu sitzen, dem regen Schiffsverkehr zuzusehen, den Blick hinüber zur Insel Giudecca schweifen zu lassen und sich dann wieder vom bunten, südländischen Treiben einfangen zu lassen – ein perfekter Urlaubsbeginn.
Gegen Abend bekommt die Szenerie dann etwas Majestätisches, wenn die riesigen Kreuzfahrtschiffe langsam vorbeigleiten und für Momente den Himmel in den schmalen Gassen verdunkeln. Es ist eindrucksvoll, wie elegant diese schwimmenden Städte von zwei Schleppern, einem vorn und einem hinten, durch die schmale Lagune navigiert werden – Musikfetzen von den diversen Decks wehen herüber, Hunderte von Passagieren stehen an der Reling und winken – kaum beachtet von den Einheimischen, die dieses Schauspiel gewohnt sind. Wir dagegen können uns kaum satt sehen, zumal ein fantastischer Sonnenuntergang das Ganze in ein Lichtspektakel verwandelt.
Am nächsten Morgen starten wir erwartungsvoll zum Besuch der Biennale. Wir fahren mit dem Vaporetto von der Haltestelle Accademia aus, am Markusplatz vorbei zu den Giardini, dem traditionellen Ausstellungsgelände der Biennale. Wir wundern uns, wie wenig Leute dort mit uns aussteigen, bis wir am Eingang auf ein Schild stoßen „Montags geschlossen“. Da kommen also die Besucher aus der ganzen Welt zu dieser berühmten Biennale – und dann das!
Nachdem wir uns vom ersten Schock erholt hatten, wird der Biennale-Besuch auf Dienstag verschoben und wir beschließen spontan, diesen geschenkten, sonnigen Herbsttag um Dorsoduro zu verbringen. Also zurück aufs Vaporetto, wieder am jetzt schon überlaufenen Markusplatz vorbei (wir waren bei diesem Venedig-Besuch kein einziges Mal dort!) zur Haltestelle Salute, an der äußersten Spitze des Dorsoduro. Dort steht man vor der großartigen Barockkirche Santa Maria della Salute. Diese Kirche wurde 1630 als Dank für die Erlösung von der Pest erbaut. Im Inneren stößt man auf Gemälde von Tizian und Tintoretto und bewundert die Harmonie des achteckigen Raumes, der vergleichsweise nüchtern ausgestattet ist.
Im Kontrast hierzu,stehen wir ein paar Schritte weiter vor einem der beiden Tempel moderner Kunst des französischen Sammlers Pinault, der Punta della Dogana.
Der Besuch dieses Museums ist ein Muss – schon allein wegen der fantastischen Architektur dieses Gebäudes, die immer wieder wunderbare Ausblicke auf Venedig erlaubt und somit die Stadt quasi einbezieht. Das Museum stellt momentan
20 Künstler unter der Überschrift „Lob des Zweifels“ aus. Polke, Cattelan, Schütte, Donald Judd, Bruce Naumann und viele andere bieten ein buntes Potpourri moderner Kunst, kuratiert von Caroline Bourgeois.
Wir bummeln durch schmale Gassen, über Brücken und durch malerische Hinterhöfe weiter Richtung Westen, lassen die berühmte Peggy Guggenheim Collection dieses Mal buchstäblich links liegen und stoßen wieder auf die Lagune. Fast zufällig stehen wir vor historischen, restaurierten Salzmagazinen, in denen ein Museum für den abstrakten italienischen Expressionisten Emilio Vedova untergebracht ist und Anselm Kiefer eine fantastische Ausstellungsmöglichkeit geboten wird. Unter dem Titel „Salt of the Earth“ werden in diesen historischen Gemäuern Gemälde und Skulpturen von Kiefer präsentiert, die zu den künstlerischen Höhepunkten unseres diesjährigen Venedig-Besuchs gehören.
Zufällig entdecken wir bei unserem weiteren Bummel einen französischen Galeristen, der Bekleidung als Kunst präsentiert, d.h. diverse Künstler verwandeln banale Kleidungsstücke durch Verfremdung, Ausschmückung, Übermalung etc. in Kunstwerke aus teilweise „absurden“ Materialien. Das wäre doch eine tolle Idee für eine Ausstellung in exquisiten Kaufhäusern, wie z.B. bei meinen Freunden der Galeries Lafayette in Berlin.
Die verdiente Mittagspause in einer am Wege liegenden Osteria ist kulinarisch nicht erwähnenswert – Venedig ist teuer und eine gute, preiswerte Küche findet man in der Regel nicht zufällig und schon gar nicht an den Touristenrennbahnen. Wir haben in den 3 Tagen nur einmal sehr gut gegessen, der Rest war zum Vergessen!
Den Nachmittag haben wir dem zweiten Kunsttempel Pinaults gewidmet, dem Palazzo Grassi. Dort werden aktuell 40 weitgehend jüngere Künstler präsentiert – eine sehr unterhaltsame und anregende Schau, die auf jeden Fall einen Besuch lohnt.
Nach so viel Kunst und Lokalkolorit haben wir den westlichen Teil Dosoduros um den Campo Santa Margherita und Rio San Barnaba leider nicht mehr geschafft und auf unseren nächsten Besuch verschoben. Am Abend haben wir im Restaurant Avogaria, Dorsoduro 1629, in einer versteckten Seitengasse, hervorragend gegessen – hier stimmte Preis, Qualität und Freundlichkeit!
Über den Biennale-Besuch am Folgetag berichte ich in einem Blog auf meiner Website www.art-fashion-consulting.com
Zusammengefasst lässt sich sagen, in diesem Jahr war die spannendere Kunst oft außerhalb der Biennale zu entdecken.
Noch ein Tipp für den schönsten und preiswertesten Transfer zum Flughafen:
Alle 30 Minuten fährt ein Schiff der Blue Line von den Haltestellen Zattere, San Marco etc. in einer ca. 90 minütigen, spektakulären Fahrt vorbei am Lido und Murano zum Flughafen und zurück. Die Fahrt kostet 12.-€ und bietet wunderbare Aus- und Einblicke auf dieses Gesamtkunstwerk Venedig – zur Einstimmung bei der Ankunft oder stimmungsvolles Abschiedsgeschenk.
Klaus Weidner, Esslingen, Oktober 2011