Wir nahmen das aktuelle Bauhausjubiläum zum Anlass, um zunächst Weimar und
danach Dessau zu besuchen und uns vor Ort auf die Suche nach den Ursprüngen
und verbliebenen Spuren und Einflüssen der Bauhausbewegung zu machen.
Zunächst die Frage, was machte eigentlich Bauhaus aus?
Eine erste Antwort fanden wir in einer Begleitbroschüre in Dessau:
„Das von Walter Gropius 1919 in Weimar gegründete Bauhaus führte herausragende
Architekten, Künstler und Gestalter zusammen. Nach dem 1. Weltkrieg folgten sie
alle Gropius Idee, eine neue Art von Hochschule aufzubauen, um aus der
Verbindung von Handwerk, Kunst und Technik eine neue, eine moderne Lebenswelt
zu gestalten. Dazu lehnten sie traditionelle Unterrichtsmethoden ab und ersetzten sie
durch disziplinübergreifendes Forschen und künstlerisches Experimentieren.“
In einem Manifest in Weimar fanden wir als oberstes Ziel von Gropius „die
Wiedervereinigung aller werkkünstlerischen Disziplinen – Bildhauerei, Malerei,
Theater, Dichtkunst, Musik, Kostümfeste.“ Gropius und seine Kollegen strebten eine
ganzheitliche Bildung der Studenten an, die ausdrücklich auch deren Privatleben
einschloss. Mit diesem avantgardistischen Ansatz gelang es, damals schon
berühmte Künstler und Freidenker wie Feininger, Schlemmer, Klee, Muche,
Kandinsky und Itten als Professoren zu gewinnen. Das Studium bestand aus einem
zweisemestrigen Vorkurs und einem sechssemestrigen Studium, in dem in den
Werkstätten ein Handwerk gelernt wurde – die Professoren hießen „Meister“, die
Studenten „Lehrlinge“.
Ausgestattet mit diesen Grundkenntnissen der Ideen des Bauhauses besuchten wir
in Weimar zunächst das erst kürzlich eröffnete Bauhausmuseum. Das moderne,
äußerlich schlichte und doch sehr elegante Gebäude war schon Programm an sich!
Auf 3 Etagen beherbergt das Museum die weltweit umfassendste Bauhaus-
Sammlung, die schon von Walter Gropius begonnen wurde. Moderne Kunst der
weltberühmten Bauhauskünstler begrüßen uns im Erdgeschoss, es folgen unzählige
Designentwürfe von Möbeln, alltäglichen Einrichtungs- und
Gebrauchsgegenständen, Schmuck etc. – die wir heute sofort als „Klassiker“
erkennen. Im Architekturbereich zeigen viele Entwürfe und Modelle die
avantgardistische Baukastenmethode, die das Bauen revolutionierte und für
jedermann bezahlbar machte. Das Triadische Ballett von Schlemmer darf ebenso
wenig fehlen, wie die berühmten Sitzmöbel von Mies van der Rohe, herrliche
Designentwürfe von Gropius und vielen anderen oder experimentelle, modernste
Musikstücke. Das Museum lädt den Besucher zu einer individuellen, multivisuellen
Entdeckungstour durch die Bauhausgeschichte ein, die unvergesslich bleibt!
Wir setzten unseren musealen Spaziergang im benachbarten Neuen Museum
Weimar fort, wo u.a. die frühe Bedeutung von van de Velde für die
Bauhausbewegung dargestellt wird. Außerdem werden sehenswerte Werke des
Realismus, Impressionismus und des Jugendstils gezeigt. Ein weiterer Ausstellungsteil ist Friedrich Nietzsche gewidmet und dem Kult, der um ihn posthum gemacht wurde.
Ein weiterer Höhepunkt des Rundgangs war der Besuch der Bauhausuniversität. Das
Hauptgebäude und die benachbarte, ehemalige Kunstgewerbeschule wurden nach
Entwürfen von van de Velde Anfang des 20. Jahrhunderts gebaut und waren ab
1919 Gründungsort des Staatlichen Bauhauses Weimar, unter Leitung von Walter
Gropius. Das gelb gestrichene Hauptgebäude zeigt frühen Rationalismus, die
Fassadengliederung mit viel Glas, das Mansarddach mit Atelierfenstern und
Dachreiter gibt dem Ganzen sein typisches Gesicht der Vor-Bauhauszeit. Die
Rückseite des Gebäudes ist schlicht und besticht durch die spitzwinkligen Fenster
und schrägen Treppenhäuser.
Es ist ein besonderes Vergnügen durch diese historischen Gebäude zu bummeln, wo
heute noch 4000 Studenten aus aller Welt u.a. Design, Gestaltung und Architektur
studieren. Die weltberühmten, herrlich geschwungenen Bauhaustreppen, z.T. mit
Wandgestaltungen von Schlemmer, Feininger etc. dekoriert, sind natürlich Highlights
und gehören zum Weltkulturerbe. Das originale Direktorenzimmer von Gropius war
leiden nicht zu besichtigen, als Ersatz war vor dem Gebäude ein buntes Holzmodell
der Einrichtung des Direktorenzimmers aufgebaut. Hier kann sich der Besucher
einen Moment lang als Direktor niederlassen und fühlen!
Der würdige Abschluss unseres Bauhausbummels durch Weimar war der Besuch
des „Haus am Horn“, das 1923 von Georg Muche als Musterhaus gebaut wurde und
die revolutionären Ideen des kostengünstigen Baukastenprinzips des Bauhauses
verwirklichte.
Unsere Reise ging weiter nach Dessau, wozu ich zunächst nochmals die eingangs
erwähnte Begleitbroschüre zu Wort kommen lasse:
„Im Jahr 1925 siedelte das Bauhaus aus politischen Gründen von Weimar nach
Dessau. Hier gelang es den Bauhäuslern, die Radikalität ihrer Ideen zum Entwerfen
von Architektur, Möbeln, Alltagsgegenständen sowie ihr Verständnis von Tanz, Musik
und Kunst zu einer Einheit zusammenzuführen. Ihr Ansatz, für die gesamte
Lebenswelt des modernen Menschen zu entwerfen, umschloss auch eine neue
Pädagogik und ein neues Grundverständnis von Körperlichkeit und Teamgeist. Als
einmalige Orte der Avantgarde entstanden das heute weltberühmte
Hochschulgebäude mit den Werkstätten, der Bühne, der Kantine und dem
Ateliergebäude, sowie das Ensemble der Meisterhäuser. Hier lebten Ilse und Walter
Gropius, Anni und Josef Albers, Lucia Moholy und Laszio Moholy-Nagy, Oskar
Schlemmer, Paul Klee, Wassily Kandinsky, Lionel Feininger und viele weitere
Bauhäusler als Künstlergemeinschaft.“
Der Anblick des Glas- / Stahl-Gebäudes der oben erwähnten Bauhaus – Hochschule
Dessau war in der Tat atemberaubend! Das fast 100 Jahre alte Gebäude strahlt eine
zeitlose Klarheit, Leichtigkeit und Eleganz aus, an der sich moderne Architekten ein
Beispiel nehmen könnten Wir befolgten den Rat von Gropius, den Gebäudekomplex
zu Fuß zu umrunden – unsere Begeisterung steigerte sich von Schritt zu Schritt. Hier
stimmt einfach alles!
Ein kleiner Wehrmutstropfen war die Tatsache, dass das neue Bauhausmuseum in
Dessau erst im September 2019 eröffnet wird. Insofern waren die Werkräume der
Hochschule weitgehend leergeräumt, die Exponate sind demnächst im Museum zu
besichtigen.
Trotzdem war auch die Innenbesichtigung der Hochschule sehr informativ – alles ist
lichtdurchflutet, große, helle Werkräume waren sicher ideale Arbeitsplätze, mit
schönen Ausblicken in die Umgebung. Eindrucksvoll ist auch die fast 100 Jahre alte
Mechanik, z.B. der Fensterbeschattung und -schließung. Wie in einem
Industriemuseum kann man die damalige Technik mit Stahlseilen, Metallrollen,
eisernen Hebevorrichtungen etc. studieren.
Der Abschluss unserer Bauhausreise durch Dessau bildete die Besichtigung der
4 Meisterhäuser, in der die oben genannten Künstler in Künstlergemeinschaften
lebten. Die weißen, zweistöckigen Häuser im Grünen repräsentieren in idealer Form
den klaren, schnörkellosen und kostengünstigen Baustil. Im Inneren wirken Farbe,
Funktionalität und z.T. auch Kunst harmonisch zusammen.
Wie gesagt – ein weiterer Besuch in Dessau ist zwingend nötig, wenn das neue
Bauhaus-Museum eröffnet ist.
Klaus Weidner August 2019