Ein Reisebericht zu einer Kaffeefahrt mit ihren Folgen und einer Rundreise an der Türkische Riviera
Teil 1 Eine Kaffeefahrt zum Bodensee
Alles begann mit dem Lösungswort „Budapest“ in einem Kreuzworträtsel, das ich im Frühjahr 2004 im Briefkasten fand und entgegen meinen sonstigen Gewohnheiten löste und abschickte.
Nach Monaten erhielt ich einen Brief, in dem mir mitgeteilt wurde, dass das Lösungswort Budapest richtig sei und ich gewonnen habe – „Herzlichen Glückwunsch zu einem Gewinn von mindestens 499.- Euro!“.
Den Preis würde man mir gerne anlässlich eines „kostenlosenTagesausflugs nach Heidelberg mit Schiffahrt“ überreichen.
In memoriam und quasi als Abbitte an meine Mutter, die mich ein Leben lang mit überteuerten und unsinnigen Käufen von ihren Kaffeefahrten beschenkte, sagte ich zu. Da ich ausdrücklich aufgefordert wurde, Gäste mitzubringen, fiel meine Wahl auf unseren Nachbarn, Dr. K., einen ehemaligen Medizinwissenschaftler, der nicht im Verdacht stand, leichtgläubig oder leichtsinnig zu sein.
Der frühmorgendliche Bus an einem herrlichen Sommermorgen war mit Publikum im s.g. gesetzten Alter besetzt, wovon sich die meisten bald als langjährige „Profis für Kaffeefahrten“ herausstellten
Dass die Fahrt keineswegs nach Heidelberg ging, sondern in einem einsamen 5 Seelendorf im Schwarzwald in einem drittklassigen Gasthof endete, schien ausser uns niemanden zu stören oder zu überraschen. Meine Intervention in Richtung „Prospektbetrug“ löste allerdings hektische Telefongespräche hinter den Kulissen aus und die plötzliche Auskunft, dass wir nach dem Mittagessen an den Bodensee fahren und dort die angekündigte Bootsfahrt unternehmen würden.
Dann begann eine ca. 2 stündige Verkaufsschau, die meine Kaffeefahrt-Teilnahme im Nachhinein tatsächlich als Weiterbildungsmassnahme adelte, wie ich sie vorher etwas verschämt meinen ungläubigen Freunden erklärt hatte.
Der Verkauf von Topfsets etc. war nur ein harmloses warming up. Anschliessend spielte ein mit allen Wassern gewaschener Verkäufer virtuos auf der Klaviatur der Ängste der Menschen vor allen möglichen gesundheitlichen Risiken. Er beschwor persönliche Katastrophen herauf, erzeugte Sozialneid gegenüber den Reichen, beschimpfte Politik, Ärzte und Industrie, benutze jedes Vorurteil und Klischee, erntete Beifall und heftiges Kopfnicken, war Aufklärer, Demagoge, Prediger, Wissenschaftler und Gutmensch in einem und erzeugte schliesslich eine fast hysterische Zustimmung im Publikum, dass sich alle auf Kosten der armen Alten bereichern würden.
Eine lange betretene Stille und Pause – das geschockte Publikum musste sich von diesem Schrecken erst wieder erholen!
„Aber – Ihr ahnt es schon – ich habe heute die Lösung aller genannten Probleme mitgebracht, Ihr könnt Euch entspannen und Euch in Zukunft das Gleiche leisten, wie die Superreichen in ihren Privatsanatorien“.
Der Verkäufer zog, einem Zaubermeister gleich, ein schwarzes Tuch von einem geheimnisvoll verdeckten Gebilde auf der Bühne und präsentierte seinen „Zauberkasten“: eine edel und luxuriös ausgestattete und aufgemachte Box mit 60 Ampullen stellte sich als eine Zweimonatskur heraus, die alles an Vitaminen, Spurenelementen etc. enthält, was der ältere Mensch braucht, um sorglos und gesund alt zu werden. Es folgte ein 10 minütiges pseudowissenschaftliches Plädoyer über Inhalt, Wirkung und Exklusivität dieser Kur und den nahezu lächerlichen Preis dieses nicht im Handel erhältlichen Lebenselexiers: 999.- Euro. „Ist Euch Eure Gesundheit diesen sensationellen Preis nicht wert? Wollt Ihr dieses Produkt den Reichen überlassen in Ihren Privatsanatorien?“
Um es kurz zu machen: wir zählten ca. 40 Unterschriften für eine Lieferung frei Haus und gegen Barzahlung dieses Wundermittels, also einen Umsatz von 40.000 Euro in einer halben Stunde.
Selbst die „professionellen“ Kaffefahrer und anfänglichen Skeptiker aus schlechter Erfahrung konnten nicht schnell genug ihre Unterschrift leisten und meinten etwas verschämt: Na ja, es ist ja für die Gesundheit, da darf man nicht sparen.“
Der Wissenschaftler an meiner Seite war sprachlos, ob soviel Naivität der Käufer, aber auch wegen der Unverfrorenheit und Inkompetenz des Vortragenden, der unbewiesene Behauptungen und Halbwahrheiten geschickt in Emotionen verpackte und ihm keine Chance liess, ihm zu widersprechen. Hier waren keine Sachargumente mehr gefragt, hier ging es für jeden um die Frage, will ich Krankheit, Not und Tod riskieren wegen lächerlicher 999 Euro?
Wir fuhren dann am Nachmittag tatsächlich zum Bodensee und ich und viele andere gewannen eine Reise im Wert von 499.- Euro – eine Woche „Rundreise türkische Riviera“. Die jeweilige Begleitperson bekam eine Reduktion von 100.- Euro angeboten, so dass das verlockende Angebot im Raum stand, mit 2 Personen für eine Woche in die Türkei zu fliegen, mit Frühstück, Begleitprogramm und Reiseleiter für 399.-Euro.
Nach kurzem Zögern entschloss ich mich, den begonnen Weg auch zu Ende zu gehen, zahlte die gewünschten 40 Euro an und entschied mich für ein upgrade in
5 Sternehotels, was nochmals 50.- Euro pro Person kostete.
Der Freundeskreis stand Kopf, „ Deinen Mut möchten wir haben, nach Deinen Schilderungen der Umstände, wie es zu dieser Reise kam“.
Allen Mahnungen und Selbstzweifeln zum Trotz, haben Barbara und ich an Ostern 2005 diese Reise angetreten.
Teil 2 Grosse Türkische Riviera Rundreise (vom 24.-31.3.2005)
Der Reiseplan sieht 4 Tage Alanya vor, mit diversen Ausflügen, dann eine Fahrt durch das Taurusgebirge nach Kusadasi, 2 Übernachtungen dort und dann zurück nach Antalya, mit einer Übernachtung und dem morgendlichen Rückflug nach Stuttgart.
Wir fliegen mit Onur Air und sind nach knapp 3 Stunden pünktlich in Antalya, wo uns ein prachtvoller Flughafen und ein freundlicher Reiseleiter namens Islam empfangen.
Er ist Orientologe, sehr kompetent und offen und wird uns während der ganzen Woche begleiten.
Die Sonne scheint, es ist angenehm warm, die Organisation klappt wie am Schnürchen, wir fahren im Bus Nr.37 gen Süden Richtung Alanya. Die Fahrt führt durch eine frühlingshaft grüne Ebene, mit schönen Ausblicken auf die noch schneebedeckten Gebirgszüge des Taurusgebirges.
Der Bus ist gefüllt mit „Reisegewinnern“ diverser Kaffeefahrten in Baden-Württemberg, das Alter ist – wie schon bei der Kaffeefahrt – „gesetzt“, aber auch Kinder und einige jüngere Leute haben irgendwie den Weg in dieses spezielle Reiseprogramm gefunden.
Wir landen schliesslich im Hotel Meryan, ca. 20 km vor Alanya. Das 5 Sterne Hotel liegt am Meer und macht einen besseren Eindruck, als uns von wohlmeinenden Freunden prophezeit worden ist. Grosse Wasserlandschaften, ein schöner Wellnessbereich und viele Läden versprechen zumindest keine Langeweile.
Um 18.20 (!) Uhr sind alle Teilnehmer zum Briefing des Reiseverlaufs bestellt. Eine vordergründig freundliche, aber ansonsten ziemlich nassforsche Türkin begrüsst uns und erklärt den Ablauf mit Worten, als ob sie Halbidioten vor sich hätte. Dabei stellt sich heraus, dass auf die Teilnehmer noch erhebliche Nebenkosten zukommen, was natürlich den Verdacht nährt, dass die Veranstalter auf diese Weise versuchen, den Reisepreis „aufzupeppen“. Allen Teilnehmern wird ein Paket von 135.- Euro angeboten und dringend empfohlen, das die Eintrittsgelder der Besichtigungen und die Mittagessen enthält. Für die abendlichen Buffets werden 10.- Euro pro Person verlangt, was weitere 140.- Euro pro Paar bedeutet.
Bei einigen Teilnehmern, speziell Familien mit Kindern, schlägt das ganz schön ins (nicht eingeplant) Budget und erzeugt natürlich entsprechende Reaktionen, die aber von der forschen Türkin abgebügelt werden.
Wir entscheiden uns, nach dem Bausteinprinzip vorzugehen und nur solche Programmpunkte mitzumachen, die uns interessieren. In einem 4 Augengespräch mit Islam klären wir unseren Standpunkt und erhielten von ihm Unterstützung unter der
Voraussetzung, keine Kritik vor der Gruppe zu äussern – damit können wir gut leben und kommen somit gut und preiswert über die Runden.
Unterwegs erfuhren wir von Reisenden anderer Reisegruppen, dass sie für Halb- und teilweise Vollpension zwischen 350 und 400 Euro pro Person bezahlt haben. Wenn wir alle geforderten Nebenkosten unserer Reise zusammenzählen, kommen wir auf einen ähnlichen Preis – trotz des s.g. Reisegewinns von mir.
Somit steht fest, dass das Ganze auch ein Stück „Bauernfängerei“ oder eine geschickte Türkeipromotion war – wir nehmen es sportlich und hoffen dass wenigstens die Qualität des Angebots in den nächsten Tagen stimmt.
2. Tag
Auf dem Tagesprogramm steht eine Rundfahrt zu den Ruinen von Aspendos, mit Besichtigung der besterhaltenen Aqädukte der Römer und einer seldschukischen Brücke. Aspendos war eine sehr geschichtsträchtige Stadt mit wechselvoller Geschichte, Griechen, Perser und Römer stritten sich um diesen strategischen Platz am Fluss. Alexander der Grosse eroberte sie 333 (bei Issos Keilerei!), im Jahr 133 fiel sie an die Römer. Das heute noch sehr gut erhaltene Theater mit 15.000 Sitzplätzen konnten wir leider nicht von innen besichtigen, da es durch eine Parteiveranstaltung für die Öffentlichkeit gesperrt war. Wir wurden durch eine schöne Aussicht über Ebene und Fluss, mit schneebedeckten Bergen im Hintergrund und dem eindrucksvollen, gut erhaltenen Aquädukt im Vordergrund, entschädigt.
Anschliessend folgte eine beschauliche Bootsfahrt auf dem Manavgatfluss bis zur Mündung ins Mittelmeer. Vorbei an Fischzuchtbecken mit Namen wie „Forellenhof“ etc. und vielen kleinen Werften, wo die Touristenschiffe für die Hochsaison präpariert wurden, mit Blicken auf Moscheen und kleine Dörfer, näherten wir uns dem angekündigten Mittagessen auf einer Landzunge, die den Fluss vom offenen Meer trennte.
Auf dieser Landzunge ging es sehr geschäftig zu, sie stellte sich als eine Art Einkaufszentrum unter freiem Himmel und im Sand heraus, überall wurden lokale Köstlichkeiten, gefülltes Fladenbrot, gegrillter Fisch, Süssigkeiten angeboten und dazu das verlockende Sortiment vieler Verkaufsstände mit perfekten Imitationen von Taschen, Textilien etc. von LV, Gucci, Joop, Prada etc.
Der geruhsame Nachmittag diente auch dem Kennenlernen unserer mitreisenden „Kaffeefahrer“, die sich im Schnitt als angenehmer und netter herausstellten, als wir erwartet hatten und sich vom abendlichen Hotelpublikum durchaus positiv abheben sollten.
Das Abendessen mit einem umfangreichen und vielfältigen kalten und warmen Buffet erfüllt qualitativ und quantitativ alle Erwartungen, das Publikum im riesigen Speisesaal ist allerdings eine sehr deutsche Mischung aus billig und bieder. Über riesige Brüste spannt sich viel Geblümtes, man trägt Bauch und Sandalen, ist dunkelbraun gebrannt und gibt sich dem Personal gegenüber jovial und vertraulich.
Das im Winter subventionierte Billigreiseland Türkei hat sich auf eine preissensible Stammkundschaft der Unter- und unteren Mittelschicht eingestellt, entsprechend ist auch die Musik des Alleinunterhalters.
3. Tag
Wir beschliessen, einen Ausflug auf eigene Faust nach Alanya zu machen. Der öffentliche Bus zur 20 km entfernten zweitgrössten Stadt der Region hält direkt vor dem Hotel und kostet 2 Euro. Es stellt sich heraus, dass der Bus keine festen Haltestellen kennt, sondern praktischerweise durch Handzeichen überall angehalten werden kann.
Wir fahren durch eine schrecklich zersiedelte Landschaft, mit viel eintöniger Primitivarchitektur. Die Strasse führt am Meer entlang, vom Meer getrennt von einer Vielzahl von Hotels und Ferienanlagen, die sich gleichen, wie ein Ei dem anderen. Es gibt auf der Fahrt zwar noch ein paar Lichtblicke unverbauter Natur, aber leider wird auch hier der Kommerz in Form des billigen Massentourismus siegen.
Um so angenehmer überrascht sind wir von Alanya, das sich als sehr schöne, grüne, „aufgeräumte“ Stadt präsentiert, in der wir uns auf Anhieb wohl fühlen.
Alanya wird beherrscht von der gigantischen Festung „Kale“, die die Stadt auf einem 250 m hohen Felsmassiv überragt. Sie wurde vom Sultan Kaykubat 1226-1232 erbaut und ist von einer 6,5 km langen Festungsmauer umgeben, die wiederum von 140 Wachtürmen beschützt wird. Es gibt 3 Verteidigungsringe, im obersten liegt die Burg, im mittleren Moschee und Karawanserei und im unteren die frühere Altstadt von Alanya.
Beim Verlassen des Linienbusses werden wir von Taxifahrern angesprochen, die uns auf die Festung fahren wollen zu einem Preis, den ich annehmbar finde. Ein Paar aus Österreich mischt sich ein, verhandelt geschickt und erfolgreich und erzielt für uns vier den halben Preis des Preises, den ich zuvor schon zu zahlen bereit war. Der mitleidige Blick von Barbara zeigte mir, was sie von meinen Verhandlungskünsten hält.
Nach einer Fahrt im altersschwachen Taxi über steile Serpentinenstrassen werden wir zunächst durch phantastische Ausblicke über die Stadt, den Hafen, die wunderschöne Bucht und das hügelige Hinterland verwöhnt. Alanya präsentiert sich von oben noch farbenfroher und attraktiver als bei unserer Ankunft in der Stadt. Wir klettern über einsame Wege, steile Treppen und kleine Terrassen und geniessen immer neue Ausblicke auf diese gigantische Festungsanlage aus dem 12. Jahr-hundert. Eine Moschee und ein alter, fast zugewachsener Friedhof kreuzen unseren Weg, ebenso verlassene, verfallende Gebäude aus einer längst vergangenen Zeit. In diesem mittleren Teil der Anlage stossen wir auf ein Hotel, das gerade für die neue Saison herausgeputzt wird. Es stellt sich heraus, dass es sich um eine alte
Karawanserei handelt, deren Hauptattraktion eine begehbare Zisterne ist, gross wie eine Kathedrale, die uns die jungen Hotelangestellten voller Stolz zeigen. Anschliessend wird exklusiv für uns ein Tisch auf einer der schönen Aussichtsterrassen gedeckt und werden Getränke serviert, obwohl Hotel und Restaurant noch geschlossen sind – zum wiederholten Mal freuen wir uns über die Freundlichkeit und Gastfreundschaft der türkischen Gastgeber.
Ein freundlicher Obst- und Gemüsehändler erspart uns einen beschwerlichen Fussmarsch ins Tal, in dem er uns auf meine Bitte hin auf seinem Pritschenwagen mitnimmt und mit einem freundlichen Lächeln, „ich bin kein Taxi“, einen Bakschisch verweigert. Ein Erinnerungsphoto mit ihm und seiner hübschen Frau vor dem Wahrzeichen der Stadt, dem Roten Turm, erinnert uns an seine noble Geste.
Bei herrlichem Sonnenschein beschliessen wir, eine Rundfahrt um den Burgfelsen mit einem alten, dieselbetriebenen Holzboot zu unternehmen. Ein alter Kapitän steuert uns aus dem Hafen an den steilen Klippen vorbei, zeigt uns die diversen Piraten-, Hochzeits- und Phosphorhöhlen und die wunderbaren Spiegelungen und Farbspiele an den Felswänden, gönnt uns einen Blick auf den Kleopatrastrand und lässt uns die abschreckende Wirkung der Festung auf frühere Invasoren von der Meeresseite nachvollziehen.
Alanya ist heute eine sehr beliebte Ferienregion, z.B. sollen über 8000 Deutsche hier inzwischen feste Domizile haben. Zahlungsmittel ist der Euro, der die türkische Lira fast völlig verdrängt hat – vielleicht ist deshalb auch das neue türkische Hartgeld dem Euro täuschend ähnlich! Wir hatten voreilig am Flughafen 100 Euro gewechselt und hatten fast Mühe, das türkische Geld in der Türkei wieder los zu werden. Ich frage mich, warum wir so kontrovers über den EU-Beitritt der Türkei diskutieren, wo die Währungsunion hier im Stillen schon stattgefunden hat und darüber hinaus nahezu jeder deutsch spricht oder zumindest versteht – Mallorca lässt grüssen, nur preiswerter!
Am Abend treffen wir etwas gehetzt wirkende Mitreisende, die ein volles „Besichtigungs- und Kaffeefahrt-Verkaufsprogramm“ hinter sich haben und nun schon wieder zum „türkischen Abend“ unterwegs sind.
Wir lassen den Tag gemütlich ausklingen und nehmen uns für morgen ( 4.Tag) einen Strandtag vor, mit Sonne, Meer und Wellness und ohne sonstiges Programm.
Der harte Kern unserer Gruppe muss den ganzen Vormittag in einer zusätzlichen Verkaufsveranstaltung verbringen und hetzt dann nach Alanya, wo die Fahrt auf die Festung schon in halber Höhe endet, da der Bus nicht durch ein Tunnel passt. Die Armen tun mir ein bisschen leid, zumal sie für einen solchen Stress dann noch zusätzlich 135 Euro zuzahlen mussten.
Der 5. Tag ist ein Reisetag, der uns durch das Taurusgebirge ins ca. 500 km entfernte Kusadasi bringen soll..
Entsprechend früh geht es los, aber zu unserer Überraschung zunächst in eine Gold- und Schmuckfabrik in Antalya. Wir verlieren dort leider 2 Stunden wertvoller Zeit, was sich insofern rächt, als wir den ganzen Tag dem Zeitverlust hinterher fahren und erst gegen 21.00 Uhr in Kusadasi ankommen. Die Tagesplanung wurde offensichtlich kurzfristig geändert, wohl um uns und einige weitere „Verweigerer“ zu dieser Verkaufsveranstaltung zu zwingen.
Andererseits war der Besuch in diesem Einkaufszentrum insofern interessant, als wir mit über 10.000 qm reinem Luxus konfrontiert wurden, d.h. über 3 Etagen wurden uns von vornehmen Damen und Herren Goldschmuck in allen Variationen und Preisklassen präsentiert oder besser zelebriert. Gold spielt in der Türkei eine besondere Rolle – pro Jahr werden 100 Tonnen Gold verarbeitet, das die Menschen, die es sich leisten können, bei allen Anlässen verschenken, beginnend mit der Geburt, als Aussteuer bei Hochzeiten etc.
Die Fahrt durch das Taurusgebirge führt zunächst über enge Gebirgsstrassen auf über 1500 m Meereshöhe und verläuft dann in einem breiten Flusstal auf einer Hochebene vorbei an alten Dörfern, kleinen Seen und Sommerhäusern, die „wild“ in die Gegend gebaut werden und keinerlei baulichen Restriktionen unterliegen. Die Landschaft liegt unter einem seltsamen Grauschleier, was zum einen mit der Jahreszeit zusammenhängt ( der Frühling lässt noch auf sich warten), aber auch mit dem Marmorabbau, der seinen feinen Staub über die Landschaft zu verteilen scheint. Der türkische Marmor ist ein wegen seiner Qualität gesuchter Exportartikel.
Die Orte und Städte, durch die wir fahren, machen einen wirtschaftlich florierenden Eindruck, was auch mit der hier angesiedelten, sehr erfolgreichen Textilindustrie zusammenhängt, aus Kostengründen ausgelagert aus den mitteleuropäischen Ländern.
Der mittägliche Halt findet an einem türkisblauen Vulkansee statt, dessen Farben seltsam kontrastieren mit dem Grau der Umgebung .
Schon von Weitem kündigen die weissen Sinterterrassen den eigentliche Höhepunkt desTages an, die Besichtigung von Pamukkale mit seinen heissen Quellen und bizarren Kalkablagerungen. Bevor wir uns diesem Naturwunder nähern, fahren wir durch die relativ gut erhaltenen Ruinen des antiken Hierapolis. Die unter der Herrschaft von Pergamon im 2. Jahrhundert vor Ch. aufgebaute Stadt wurde nach einem Erdbeben von den Römern wiederaufgebaut, ein Apollotempel, eine säulengesäumte Strasse, ein herrliches Amphitheater am Hang und viele Grabstätten machen den Spaziergang zu einem historischen Erlebnis. In den Gräbern wurden den Toten ihre Lieblingsgewänder, Schmuck und Nahrung mitgegeben, aber auch ein Gefäss mit den Tränen derer, die sie beweinten.
Übergangslos stehen wir dann staunend vor den Kalksinterterrassen, die sich in strahlendem Weiss kaskadenförmig den Berg hinunterziehen, dabei türkisfarbene Bassins bilden, während sich an den Bergwänden Gebirge von Kalk ablagern und bizarre Formen und Farben entstehen – ein unvergessliches Naturwunder.
Das Wasser fliesst mit 35 Grad zunächst durch künstliche Kanäle und verteilt sich dann dampfend über die 100 Meter breiten und barfuss begehbaren oberen Terrassen. Zum Glück sind die nachfolgenden Kaskaden zu steil zum Begehen, so dass auch spätere Generationen die Chance haben, dieses Naturschauspiel geniessen zu können. Am Fusse des antiken Theaters befinden sich Bassins, in denen sich die Besucher, auf alten Säulen sitzend, am heissen Heilwasser erfreuen können. Barbara musste diese Attraktion natürlich ausprobieren und behauptete anschliessend, sie fühle sich wie neugeboren – der Glaube versetzt Berge!
Das eine oder andere Grabmal in der Nähe der Quellen ist zwischenzeitlich auch „gesintert“, d.h. von weissem Kalkstein umgeben oder überzogen – den lebenden griechischen Helden hätte das Heilwasser sicher mehr genutzt, als ihren Gebeinen.
Aus eingangs geschilderten knappen Budgetgründen lassen sich diverse Reiseteilnehmer diese Sensationen entgehen und verbringen den Nachmittag im Kaffee am Fusse der Sehenswürdigkeiten!
Zu später Stunde landen wir in Kusadasi in einem Ferienressort, das aus einem ansprechenden neuen Teil und älteren kleinen Hütten besteht, die an unsere Ferien im Club Med vor 30 Jahren erinnern. Entsprechend ärmlich ist das Ambiente, im Bad fällt der Putz von der Decke, die Einrichtung ist karg und ein Infoblatt macht die geehrten Gäste darauf aufmerksam, dass morgen der Kammerjäger zur Ungeziefervertilgung kommt. Wir sind zu müde, um uns aufzuregen, morgen ist auch noch ein Tag.
Der 6.Tag ist lt. Programm der Besichtigung von Ephesus gewidmet, das nur ca. 10 km vom Hotel entfernt liegt. Da ich Ephesus schon kenne und mich mein Knie wieder mal plagt – es mag keine langen Busfahrten – verbringe ich den Tag am Meer an einer kleinen Bucht und frische die Erinnerung an Ephesus im Reiseführer auf. Barbara nimmt den Bus vor der Hoteltür und besichtigt auf eigene Faust das phantastische Ephesus, das einst eine antike Weltstadt mit mehr als 200.000 Einwohnern war und heute die grösste und besterhaltenste Ruinenstadt der Türkei ist. Selcuk, mit der Johannes Basilika und Kusadasi, das heute eines der grössten Touristenzentren der Türkei und ein Einkaufsparadies ist, standen ebenfalls auf ihrem Programm.
An unserem letzten ( 7.Tag) Urlaubstag steht die lange Rückfahrt nach Antalya auf dem Programm, die uns nochmals durch das Taurusgebirge führt und als Höhepunkt die Besichtigung einer der grössten Teppichfabriken des Landes enthält. Die alte Handwerkskunst wird anschaulich erläutert und die Produkte anschliessend perfekt präsentiert oder besser zelebriert. In der Fabrik arbeiten 300 Knüpferinnen, weitere 3000 Familien arbeiten in Heimarbeit und bekommen die Webstühle vom Werk gestellt. Unsere Gruppe teilt sich, perfekt betreut, in Separees auf, was offensichtlich den gewünschten wirtschaftliche Erfolg hat – zumindest äussert Islam Bewunderung über die gar nicht schwäbische Kauflust.
Am späten Nachmittag landen wir am Strand von Antalya in einem sehr schönen Hotel und geniessen den Abschluss unserer Reise bei einem letzten Strandspaziergang und mit einem Blick auf die „Skyline“ des Stadtzentrums von Antalya.
Fazit
Die Reise war interessant und hat uns die Türkei als preiswertes, kulturträchtiges Urlaubsland näher gebracht. Die Befürchtung, einer „Verkaufs- und Propagandaschau“ auf fremden Boden ausgeliefert zu sein, hat sich zum Glück nicht bewahrheitet – u.a. weil wir uns zu wehren wussten und die Veranstalter sich auf die „schweigende Mehrheit“ konzentrierten.
Wir waren angenehm überrascht von der Freundlichkeit und Liebenswürdigkeit der Türken, der Kompetenz unseres Führers und der Unkompliziertheit, auf eigene Faust auf Entdeckungsreisen gehen zu können.
Unsere Reise war zwar subjektiv preiswert, objektiv gibt es günstigere Angebote – ein Preisvergleich ist zukünftig Pflicht!
Das Abenteuer „Kaffeefahrt“ endet somit für uns mit einem positiven, versöhnlichen Fazit – wir haben die demagogischen Fähigkeiten eines gerissenen Verkäufers kennen gelernt, dem Kauf von „Wundermitteln“ und sonstigem überflüssigem „Zeug“ widerstanden, das Beste aus einer Reise in ein interessantes Land gemacht, nette Leute getroffen und können zukünftig aus eigener Erfahrung mitreden, wenn wieder ein Schreiben im Briefkasten liegt, „Gratulation, Sie haben gewonnen!“.
5.4.2005 Klaus Weidner