eine Reise für alle Sinne, Sommer 2016
1. Vorbemerkungen und Reiseplanung
Vor einem Jahr beschlossen wir im Freundeskreis, dass wir im Sommer 2016 gemeinsam Island bereisen wollen.
Auf Nachfrage bei der auf Island spezialisierten Reiseagentur „Nordwind Reisen“ in Memmingen stellte sich heraus, dass wir für eine geführte, private Gruppenreise mindestens 15 Personen benötigen. Da Island auch schon vor der Fußball-EM das Traumziel vieler war, hatte ich kein Problem, diese gewünschte Personenzahl aus dem Freundes- und Bekanntenkreis zu rekrutieren.
Damit hatte unsere Reisegruppe das Privileg eines eigenen, geländegängigen Mercedes-Busses mit Fahrer und einer Reiseleiterin, die uns fachkundig begleitete. Bei der Routenplanung für die 11 tägige Rundreise lehnten wir uns an einen entsprechenden Vorschlag von Nordwindreisen an, wobei täglich leichte bis mittlere Wanderungen eingeplant wurden, so dass festes Schuhwerk und Regenkleidung obligatorisch waren.
Um es vorweg zu sagen, es wurde für uns alle eine harmonische, in Teilen abenteuerliche und auf jeden Fall wunderschöne und unvergessliche Reise in einer einzigartigen und z.T. atemberaubenden Naturlandschaft. Da wir ja „unter uns“ waren, konnten wir die vorgegebene Route und Sehenswürdigkeiten individuell ergänzen und auf den einen oder anderen Sonderwunsch eingehen.
Bei dieser positiven Reisebeurteilung kamen uns 3 Faktoren zu Gute:
Zum einen eine sehr gute Planung und Vorbereitung durch das Reisebüro, mit wichtigen Tipps zu Kleidung und Ausrüstung. Zum anderen hatten wir unglaubliches Glück mit dem Wetter – nur zwei Regentage und 9 Tage Sonne bei angenehmen Temperaturen, scheint auch für den isländischen Sommer ungewöhnlich zu sein.
Der größte Glücksfall war aber Svava Bernhardsdottir, unsere Reiseleiterin. Im Hauptberuf Musikerin im isländischen Symphonieorchester und im Sommer als Reiseleiterin tätig, brachte sie uns ihre Heimat fachkundig, redegewandt und charmant so nahe, dass wir bei der Abreise dachten, „wir sind alle Isländer!“
Obwohl die Reise von der unvergleichlichen Natur bestimmt war, führte uns Svava auch in die Geschichte und Sagenwelt Islands ein, gewürzt durch viele Anekdoten über ihre diversen Großmütter und noch früheren Ahnen.
Wir haben Island als eine von Feuer und vor allem Wasser geprägte Insel erlebt. Der ungeheuren Kraft der Vulkane verdankt Island zwar sein Dasein, aber auch dem Wasser in allen Aggregatsformen – Regen, Schnee, Eis, Gletscher, Flüsse, Geysire und Meer waren über die Jahrmillionen Jahre die Baumeister dieser unvergesslichen Naturlandschaften.
2. Reiseroute, Unterbringung etc. auf Island
Unsere Reiseroute begann in Reykjavik und führte uns dann zunächst in den Südosten zu den spektakulären Wasserfällen, Gletschern, Geothermalgebieten und Geysiren, für die Island berühmt ist. Nach 4 Tagen ging es dann ins zunächst malerische und dann immer rauere, menschenleere Hochland – Abenteuer inbegriffen! Im Norden Islands verbrachten wir die nächsten 2 Tage, z.T. inmitten brodelnder und dampfender Erde, vorbei an wunderbaren Wasserfällen und einer herrlichen und tierreichen Seenlandschaft. Unsere Rundreise führte uns danach in Richtung Westen, wir passierten Skigebiete und ziemlich verlassene Fischerdörfer. Die Halbinsel Snaefellnes war ein weiterer Höhepunkt dieser Reise mit ihren erloschenen Vulkankegeln und bizarren Küstenlandschaften – überragt vom Vulkan Snaefellsjökull mit seiner weißen Gletscherkappe. Auf dem Weg zurück nach Reykjavik machten wir dem historisch wichtigsten Ort Islands im Nationalpark Thingvellir, wo Islands Parlament gegründet wurde, unsere Aufwartung und wanderten dabei durch ein Gebiet, in dem sich die eurasische und amerikanische Kontinentalplatten treffen. Unsere Reise endete mit einem ursprünglich freien Tag in Reykjavik, der dann aber doch noch ganz spannend werden sollte
Die Unterbringung in mittelklassigen Touristenhotels war in Ordnung, die relativ kleinen Zimmer sind vielleicht ein Zeichen dafür, dass die Nächte im Sommer sehr kurz sind und die Durchreisenden nur relativ wenig Zeit im Bett verbringen sollten.
Wir hatten Halbpension gebucht und waren insofern froh, dass wir uns abends nach einem langen und meist strapaziösen Tag entspannt zum Abendessen niederlassen konnten. Auswahl und Qualität waren mittelprächtig, die Getränke sündhaft teuer.
Apropos teuer, ein kleiner Geldbeutel reicht in Island nicht aus – die Preise für Essen und Trinken und vermutlich auch für alles andere sind gnadenlos hoch.
Da wir tagsüber wenig Zeit hatten, ernährten wir uns fastfoodmäßig oder per Lunchpaket, was gleichzeitig unsere Geldbeutel schonte. Nur das Gletscherwasser, das kalt und köstlich aus den Wasserleitungen kam, war kostenlos. Insgesamt sind wir mit unserem kanariengelben Geländebus (und seinem Nachfolger) ca. 2.200 km unterwegs gewesen, wobei uns eine Autopanne im unwegsamen Hochland zum Buswechsel und großen Umwegen zwang, über dieses Abenteuer später mehr.
Unser Busfahrer war ein Baum von Mann, stets gut gelaunt, der sich mehrmals am Tag das Lied der isländischen Fußballfans von der Europameisterschaft in Frankreich reinzog und sich dabei immer wieder wie ein kleines Kind freuen konnte. Ansonsten war er der beste einarmige Busfahrer, den ich je erlebt habe! Selbst auf schwierigsten Pisten lenkte er traumhaft sicher mit der linken Hand und nutzte die Rechte für wesentliche Nebenbeschäftigungen mit dem Handy, Navi oder Chips und Nüsschen.
Sonnenaufgang war um 3.30 Uhr und Sonnenuntergang gegen 23.00 Uhr, in der kurzen nordischen Nacht wurde es allerdings nie richtig dunkel. Unserem strammen Reiseplan kamen die langen Tage natürlich entgegen – am Ende der Reise waren wir alle zwar glücklich und voller neuer Eindrücke, aber auch etwas müde und übernächtigt – eine erhol- und geruhsame Urlaubsreise war Island nicht!
3. Natur pur, die Highlights unserer Island Rundreise im Detail
Die ersten beiden Reisetage gingen auf guten Straßen durch den spektakulären Südosten der Insel, der gespickt ist mit wunderbaren Naturschauspielen – dampfenden heißen Quellen, Wasserfällen – unvorstellbar große Lavafelder zeugen von den aktuellen und früheren Naturgewalten. Alles wird überragt von großartigen und riesigen Gletschern, die klimabedingt zwar auf dem Rückzug sind, aber trotzdem zum Greifen nahe scheinen. Island ist auch ein beruhigendes Fest für die Augen – speziell wenn, wie bei uns, die Sonne scheint. Die diversen Grüntöne der Felder und bewachsenen, vulkanischen Felsformationen – unterbrochen von den Farbtupfern der Bauernhöfe und weidenden Pferde und Schafe – kontrastieren mit dem Weiß der riesigen Eisfelder in der Höhe und dem schwarzen Lavasand in der Ebene oder am Strand, dazu kam bei uns ein weiß-blauer Himmel, wunderbar!
Bei 3 Einwohnern pro Quadratkilometer spielt der Mensch bei diesem grandiosen Naturschauspiel nur eine untergeordnete Rolle.
Am Wegesrand sind auf großen Schautafeln grandiose und gleichzeitig erschreckende Fotos von den letzten Vulkanausbrüchen 1973 und ganz aktuell 2010 vom Vatnahjökull zu sehen, letzterer legte in Europa sogar den Flugverkehr zeitweilig lahm . Der größte bekannte Vulkanausbruch in Island von 1783 fand ebenfalls in dieser Region statt. Das Lavafeld von damals ist das Größte auf der Erde und ist heute von dichtem Moos bedeckt, was dieser Katastrophe den Schrecken nimmt.
Wir erfuhren, dass der damalige Ausbruch zu Klimaveränderungen und Hungersnöten in ganz Europa führte und letztlich mitverantwortlich für die französische Revolution war!
Bei der Fahrt durch den Süden fallen auch die extrem breiten Flussläufe auf, in denen teilweise nur Rinnsale fließen. Da im Falle eines Vulkanausbruchs unter den Gletschern in kürzester Zeit ungeheure Wassermassen frei werden und sich den Weg zum Meer bahnen, sind die leichten, fast provisorisch wirkenden Brücken, die die Gletscherflussläufe überqueren, mehr als sinnvoll. Allerdings wurden die Küsten im Südosten durch diese Wassermassen so versandet, dass es hier keine Häfen mehr gibt und somit auch weitgehend menschenleer ist..
Vom schmelzenden Eis sind auch die wunderbaren und imposanten Wasserfälle im Süden gespeist. Wir haben im Verlauf der Reise ca. 15 Wasserfälle gesehen – jeder in seiner Art reizvoll. Unser erster Wasserfall, der prächtige Gullfoss, der über mehrere Stufen in eine tiefe Schlucht stürzt, war gleichzeitig einer der eindrucksvollsten. Der folgende Seljalandfoss war weniger gewaltig, er fügte sich eher romantisch in die Landschaft ein, was die vielen Zelte am Fuße des Wasserfalls erklärt. Er konnte von uns „hinterwandert“ werden, die Gischt führte zu reizvollen Regenbögen und Fotomotiven..
Den Kontrast zu den Wasserfällen bildete der Besuch des sehr aktiven Geothermalgebiets um Haukadalur, wo wir erstmals mit kleinen und größeren Geysiren, blubbernden, heißen Schlammlöchern und einem insgesamt heißen Untergrund Bekanntschaft machten, der sich an vielen Stellen in der hügeligen Landschaft mit weißen Dampffahnen buchstäblich Luft verschafft .Wir erfuhren bei dieser Gelegenheit, dass Island ca. 1/3 seines Energiebedarfs durch die Nutzung dieser natürlichen Hitze deckt, die aus der Tiefe der vulkanischen Aktivitäten kommt.
Sehr bald fiel uns auch auf, dass es in Island praktisch keinen Wald in unserem Sinn gibt – nur 1% der Fläche des Landes ist von Wald bedeckt. Vor der Ankunft der Wikinger um 1000 n.Ch., die für ihren Schiffs- und Hausbau ausschließlich Holz benötigten, gab es noch 40 % Waldflächen. Die heutigen, teils privaten Bemühungen um Wiederaufforstung wirken auf den kargen Böden fast rührend – zumal nur flachwurzelnde Bäume eine Überlebenschance haben. Die positive Seite dieser Waldlosigkeit ist der klare, weite und ungestörte Blick, den Island hier im Süden immer und überall bietet – am Horizont nur vom Meer oder weißen Gletscherlandschaften begrenzt.
Die beiden folgenden Reisetage im Südosten gehörten in jeder Hinsicht zu den vielseitigsten und spektakulärsten Erlebnistagen unserer Reise. Wir fuhren zunächst bequem auf der die Insel komplett umrundenden Ringstraße, die erst 1974 anlässlich der 1100 Jahrfeier der Besiedlung fertig gestellt wurde.
In Vik, einem der wenigen größeren Orte im Südwesten, wurden wir malerisch von einer kleinen Kirche begrüßt, die sich auf einer Anhöhe inmitten grüner Felder kontrastreich von einem hohen Tuffsteinfelsen abhebt.
Besonders reizvoll war der Spaziergang zum Strand, wo wir zunächst durch ein blaues Feld von Lupinen liefen, die dann abrupt dem schwarzen Lavasand wichen. Die bizarren, vorgelagerten Felsen wurden uns von Svava als ein versteinertes Schiff der in Island allgegenwärtigen Trolle vorgestellt.
Ein erster Höhepunkt war dann die ca. 2,5 stündige Bergwanderung in Skaftafell, dem Vatnajökul Nationalpark. Ein steiler Aufstieg durch eine für Island üppige Vegetation führte uns zunächst zum Wasserfall Svartifoss, der für die von ihm ausgewaschenen, bunten Basaltsäulen bekannt ist. Beim weiteren Anstieg war der Weg das Ziel – er führte uns durch eine blühende Berglandschaft, die umgeben von 3 Talgletschern eine für uns überraschend pflanzenreiche Oase darstellte. Vom Aussichtspunkt am Ende des anstrengenden Aufstiegs wurden wir durch einen unvergesslichen Ausblick entschädigt – auf die umgebenden Gletscher, den am Rand des üppigen Grüns endenden Gletscherzungen, auf die breiten von Gletschern geschaffenen Flussläufe in der Ebene und auf die üppigen, blumenreichen Wiesen, auf denen friedlich Pferde und Schafe weideten.
Eine lange Fahrt durch eine von Tuffsteinfelsen, Tafelbergen, Lava und „Scheinvulkanen“ geprägte, einsame Landschaft brachte uns am späten Nachmittag zur Gletscherlagune Jökulsarlon. Abgesehen vom touristischen Auftrieb aus aller Herren Länder, kamen wir hier aus dem ehrfürchtigen Staunen nicht mehr heraus. Auf dem 160 Meter tiefen Gletschersee und dem nachfolgenden Gletscherfluss treiben bizarre Gebilde aus Eis – kleinere und größere Eisberge, die uns nur 1/10 ihrer wahren Größe zeigen. Eine Bootsfahrt auf dem See brachte uns sowohl in die Nähe des kalbenden Gletschers, als auch dieser schwimmenden Miniaturausgaben von Eisbergen, deren Formenvielfalt und Farbenspiel von tiefem Blau bis zum gleißendem Weiß teilweise vom schmutzigen Grau der Asche von Vulkanausbrüchen unterbrochen wird – ein echtes Arktis- oder Antarktisfeeling!
Das Ganze wurde überraschenderweise am frühen Abend noch getoppt durch den unvorhergesehenen Besuch einer weiteren, benachbarten Gletscherlagune, die sich uns im malerischen Abendlicht majestätisch, einsam und nicht ungefährlich präsentierte. Eine Gedenktafel am Eingang zur Lagune erinnert an zwei deutsche Besucher, die vor Jahren spurlos im Eis verschwanden.
Am Folgetag verließen wir den unvergleichlichen Südosten Islands und die asphaltierte Ringstraße in Richtung Hochlandsafari. Auf den jetzt vorherrschenden Schotterstraßen wussten wir sehr schnell, warum wir in einem geländegängigen Bus saßen. Im Laufe des Tages ging es stetig auf engen, kurvenreichen Wegen bergauf und bergab – mit diversen Flussdurchquerungen, da man im Hochland kaum Brücken kennt.
Unsere erste Hochlandwanderung führte uns durch die Eldgja-Schlucht, eine der größten Vulkanspalten der Erde. Über Stock und Stein, entlang eines momentan lieblichen Flüsschens wanderten wir durch diese inzwischen grüne Vulkanschlucht und bestaunten die riesigen vulkanischen Findlinge, die farbenprächtig im Weg lagen. Der Lohn der Mühen war auch hier ein schöner Wasserfall, der Öfaerufoss.
Der weitere Weg führte uns durch eine noch immer grüne, ein bisschen an das Allgäu erinnernde Mittelgebirgslandschaft ins farbenprächtige Liparitgebirge um Landmannalaugar. An einem isländischen Feiertag war hier natürlich ein ziemlicher Trubel, der sich sowohl an den vollen Zelt- und Picknickplätzen, als auch in einem gewissen Gedränge beim Bad in den warmen, natürlichen Quellen zeigte. Die umgebende Landschaft ist erneut spektakulär – wir „kletterten“ auf steilen Pfaden in die Berge, die bei plötzlichem Sonnenschon fotogerecht in allen metallischen Farben glänzten. Die wunderschönen Kraterseen mit tief blauem Wasser in der Umgebung gab es als willkommene Zugabe.
Auf dem Weg zu unserer nördlich gelegen Unterkunft fuhren wir zunächst durch diverse Restschneefelder, durchquerten erneut ziemlich tiefe Wasserläufe und näherten uns in einer immer schwärzer werdenden Lavawüste dem Hekla, dem berühmtesten, aktivsten und gefährlichsten Vulkan Islands. Diverse Ausbrüche im Mittelalter richteten große Zerstörungen an. Die letzte Eruption im Jahr 2000 war gemäßigt, während 1991 in kürzester Zeit eine Rauchwolke von über 10 Km Höhe entstand.
Im gebührenden Respektabstand zum Hekla fanden wir die nächste Tankstelle und unsere Unterkunft. Ein Schild unterwegs wies darauf hin, dass sich die nächste Tankstelle in 285 km befindet, was wir als Vorgeschmack für das Hochland-Abenteuer des nächsten Tages deuteten..
Leider endete dieser als abenteuerlichster Tag unserer Rundreise angekündigte Teilabschnitt schon nach wenigen Kilometern mit einer weißen Dampfwolke, die einem kaputten Kühler geschuldet war. Wir hatten Glück im Unglück – die Telefonverbindung funktionierte im „Niemandsland“ und eine Rangerin brachte uns genügend Kühlwasser, dass wir aus eigener Kraft zur Tankstelle zurückfahren konnten. An einem Feiertag zügig einen neuen Bus zu bekommen war schwierig, gelang aber glücklicherweise, wenn auch mit gehöriger Zeitverzögerung. An eine Hochlanddurchquerung war mit dem neuen, nicht geländetauglichen, dafür aber modernen Bus leider nicht zu denken. Wir beschlossen spontan, die Route zu ändern und auf der Ringstraße zu unserem Tagesziel im Norden zu fahren – ein Umweg von ca. 600 Kilometern! Unsere Reiseleiterin, Gruppe und Fahrer erwiesen sich als flexibel und stressresistent, nach dem Motto, wir müssen in der Hauptsaison unbedingt unser gebuchtes Hotel in Akureyri erreichen – was uns am späten Abend auch gelang. Somit konnten wir unser Reiseprogramm am nächsten Tag müde, aber störungsfrei fortsetzen.
Wir waren in der zweitgrößten Stadt Islands, in Akureyri, wieder in der Zivilisation und unter Menschen angekommen. Die malerische Stadt in einer auf den ersten Blick weniger spektakulären Umgebung, als im Süden, war ein idealer Ausgangspunkt für die Entdeckung der Schönheiten des Nordostens. Unsere diesbezügliche Entdeckungsreise begann natürlich mit einem Wasserfall – dem mächtigen Dettifoss, der seinen südlichen Vettern in Größe und Schönheit in nichts nachstand. Unser eigentliches Tagesziel war allerdings das vielfältige Gebiet um den See Myvatn, der sich als wunderschönes Vogelparadies herausstellte.
Einige Kilometer bergwärts begann es plötzlich penetrant nach Schwefel zu riechen – wir waren im eindrucksvollen Geothermalgebiet von Namaskard angekommen. Hier erlebten wir nochmal hautnah den heißen und unruhigen Untergrund Islands! Überall zischt, blubbert, dampft, brodelt und stinkt es, teilweise klang es sehr aggressiv. Im strömenden Regen liefen wir durch diese schlammige, urgewaltige und teilweise farbenprächtige Gegend. Wir mussten sehr genau aufpassen, wo man hintrat, die Wasser- und Schlammbecken sind 100 Grad heiß und die Erdkruste ist hier dünn! Vom Berg Namafjall aus hatten wir einen wunderbaren Überblick über den See und diese unruhige, überall dampfende Gegend, sowie das Geothermalkraftwerk Krafla, wo Dampf in elektrische Energie verwandelt wird. .
Am Nachmittag dieses ereignisreichen Regentages hatte Svava noch eine anstrengende Überraschung für uns parat. Sie versprach uns einen einstündigen Auf- und Abstieg zu einem der schönsten Explosionskratern Islands, Hverfjall – was wir auch unbedarft in Angriff nahmen. Der anstrengende Aufstieg wurde oben leider nicht gebührend belohnt, im Regen war der 160 Meter hohe Krater mit einem Durchmesser von 1000 Metern und einer Tiefe von 140 Metern zwar eindrucksvoll, aber auch einfach nur grau. Tatsächlich war es ein Härtetest der Regentauglichkeit unserer „Funktionskleidung“. Der steile Abstieg im lockeren Lavasand war auch nicht gerade gelenkfreundlich. Erfreulicherweise wurde unten wenigstens das Wetter besser. So ließen wir uns zum Glück zu einer weiteren Wanderung durch die Dimmuborgir überreden – eine fantastische Landschaft aus bizarren Lavagebilden, wie sich herausstellte. Eine üppige Vegetation ist hier eine Symbiose mit dem erstarrtem Lavagestein eingegangen, das aus einem Disneyfilm hätte stammen können. Die Lavaskulpturen regten unsere Fantasie an, wir sahen plötzlich überall Schlösser, Kirchen, Torbögen, Drachen und sonstige Tiere und natürlich Trolle und Elfen. Der Blick zurück auf diese märchenhafte Welt und den eindrucksvollen Vulkankrater, den wir unter widrigen Bedingungen bewältigt hatten, machte uns im Nachhinein mächtig stolz Unser Freund Thilo fand darüber hinaus eine Vielzahl von köstlichen Pilzen – die er besser mitgenommen hätte, denn das Abendessen im Hotel war ziemlich bescheiden!
Der nächste Tag war weniger spektakulär, er brachte uns die Nordküste mit den früher boomenden und heute weitgehend bedeutungslosen, kleinen Fischerdörfern näher. Hier ist es im Sommer schon ruhig, wie mögen da wohl die Winter aussehen?
Immerhin gibt es im Norden einige Lifte für Skifahrer im Winter und einige sehenswerte Museen über die Tierwelt, den früheren Fischfang etc. Die Gegend ist ländlich geprägt und beschaulich, sie bietet Golfspielern, Reitern und Wanderern sicherlich schöne Freizeitvergnügen, zumal es hier oben wesentlich weniger regnen soll, als im Süden. Schön fanden wir auch die Ampeln in Akureyri, wo Rot in Herzform aufleuchtete und dem wartenden Autofahrer so buchstäblich das Herz erwärmte.
Erwähnenswert ist noch das eindrucksvolle Bauernmuseum Glaumbaer, wo ein Ensemble aus renovierten Torfhäusern die Lebens- und Wohngewohnheiten des 18. und 19. Jahrhunderts anschaulich und touristenfreundlich vergegenwärtigt.
Die Übernachtung in einem Hotel mit großem Reiterhof gab uns die Chance, diese wunderbaren Islandpferde nicht nur aus der Ferne oder aus dem Busfenster, sondern auch im Stall und auf der Weide beobachten zu können. Diese gutmütigen Tiere sind ideale Reitpferde, die hier gezüchtet, gehegt und gepflegt werden. Zu gerne hätten wir auf dem Pferderücken den speziellen 5. Gang dieser Pferde, den Tölt, selbst ausprobiert. Leider war das in unserem Reiseprogramm weder zeitlich noch preislich vorgesehen – einer der wenigen Kritikpunkte, die ich am Reiseprogramm habe, zumal wir im Nordwesten inmitten der Pferdezuchtgebiete Islands waren.
Auch auf der malerischen Halbinsel Snaefellsnes hatten wir ständig einen mächtigen Vulkan mit Eiskappe im Blick, den alles beherrschenden Snaefellsjökull, bei dem schon Jules Verne den Zugang zur Erdmitte vermutete. Wir entdeckten zunächst Küstenabschnitte mit weißem Sand, bevor wir im Nationalpark die Bucht und den Strand von Dritvik besuchten. Zahlreiche rostige Wrackteile „zieren“ den schönen Kiesstrand, die von einem 1948 gestrandeten englischen Fischtrawler stammen. Die von Wind und Wetter modellierten Lavafelsen am Strand erlaubten dem Fotografen wunderbare Durchblicke auf den nahen, schneebedeckten Vulkan. Am Strand probierte sich Thilo zwar erfolgreich am leichtesten der 4 Kraft- probesteine, von denen früher die Matrosen wenigstens 49 Kg stemmen mussten, um angeheuert zu werden. Thilo wäre trotz guter Leistung leider durchgefallen!
Ein paar Kilometer weiter bei Hellnar unternahmen wir eine weitere, ausgedehnte Küstenwanderung, entlang der beeindruckenden schwarzen Klippen, natürlichen Höhlen und Felsnadeln, von denen eine von weitem wie die Freiheitsstatue vor New York aussieht. Zahllose Vögel nutzen die Klippen lautstark als Brutplatz und „schmücken“ das Schwarz der Lavasteine mit dem Weiß ihres Vogelkots – in ferner Zukunft wird man hier vielleicht von den weißen Felsen von Hellnar sprechen!
Die weitere Fahrt über diese wunderschöne Halbinsel ist geprägt von vielen kleineren, erloschenen Vulkankratern, die sich schwarz aus der grünen Umgebung abheben und Zeugnis davon ablegen, dass die Halbinsel auf einer sehr aktiven Vulkanzone lag und noch immer liegt.
Unser letzter Rundreisetag begann standesgemäß mit einem Wasserfall, bevor wir im Nationalpark Thingvellir dem historischen Herz Islands die Ehre erwiesen. Hier trafen sich 930 die freien Männer Islands um ihren ersten Freistaat zu beschließen und am 17.Juni 1944 wurde hier die Republik Island ausgerufen. Ein Informationszentrum und die isländische Flagge werden der historischen und politischen Bedeutung dieses Ortes gerecht.
Thingvellir ist aber auch geologisch sehr interessant, denn hier treffen durch eine breite Erdspalte deutlich sichtbar Europa und Amerika aufeinander, in der Tiefe in Form der eurasischen und amerikanischen Kontinentalplatten. Wir durchwanderten diese kilometerlange, vulkanische Spalte zwischen den Kontinenten, vorbei an unserem letzten Wasserfall, dem künstlich geschaffenen Öxarafoss, der den mittelalterlichen und noch immer eindrucksvollen Versammlungsplatz mit Wasser versorgte. Messungen haben ergeben, dass sich die beiden Kontinentalplatten jährlich um einige Zentimeter entfernen – was aber hoffentlich nicht auf die Entfremdung der neuen von der alten Welt hindeutet!
Die verbleibende, kurze Fahrt nach Reykjavik führte uns malerisch am Fjord entlang, vorbei an Überbleibseln der alliierten Besatzung Islands zwischen 1940 und 45 und auch vorbei an weißen Tanks, in denen in den Walfangzeiten der Tran aufbewahrt wurde. Diese barbarischen Kriegs- und Walfangzeiten sind zum Glück Geschichte.
Für Reykjavik hatte ich ursprünglich einen freien Tag zur eigenen Gestaltung eingeplant. Erfreulicherweise bot uns die isländische Reiseagentur als Äquivalent für die ausgefallene Hochlandtour ein 3 stündiges Whale-Watching auf einem hierfür geeigneten Schiff an. Wir nahmen dieses freundliche Entgegenkommen gerne an und verbrachten bei schönstem Wetter einen entspannten Vormittag auf dem Meer, mit bestem Blick auf die Innenstadt von Reykjavik als Zugabe. Mein fotografisches Jagdfieber wurde ebenfalls befriedigt – ich bekam ca. 10 Meter lange Wale und eine spielerische Gruppe von Delphinen sehr gut ins Bild.
Der nachmittägliche Stadtbummel durch Reykjavik war zunächst vom farbenprächtigen Umzug anlässlich des Christopher Street Days geprägt, bei dem ganz Island fröhlich auf den Beinen schien. Das Thema war der Toleranz in jeder Hinsicht gewidmet, weshalb sich Jung und Alt engagiert beteiligten. Dieser „Straßenkarneval“ bescherte uns erfreulicherweise leere Museen – wobei sowohl die diversen Kunstmuseen, als auch das isländische Nationalmuseum sehr sehenswert sind.
2/3 der Isländer wohnen in oder um die Hauptstadt. Die Stadt ist in weiten Teilen vom Wasser umgeben, die Luft ist frisch und klar, sie wirkt sehr großzügig angelegt und „aufgeräumt“, mit Grünflächen und Blumenrabatten, einem malerischen See und schönen historischen und modernen Gebäuden. Es gibt in den Einkaufsstraßen keine langweiligen Einkaufszentren und kaum Kettenläden, dafür bestimmen kleine, kreative Geschäfte das Stadtbild. An der spektakulären und weithin sichtbaren Hallgrimskirche, die 1937 gebaut wurde und auch heute noch futuristisch wirkt, führte kein Weg vorbei. Svava zeigte uns natürlich voller Stolz ihren spektakulären Arbeitsplatz, die vom Künstler Eliafsson mitgestaltete, am Meer liegende Harpa Concert Hall, deren asymmetrische Glasfassade sich mit dem jeweiligen Tageslicht ständig ändert.
Auch kulinarisch bietet die Hauptstadt für jeden Geschmack etwas, vor allem natürlich frischen Fisch. Dass für unsere Verhältnisse alles gnadenlos teuer war, habe ich schon erwähnt. Trotzdem waren die Restaurants voll mit überwiegend blonden, jungen Leuten, ebenso die Cafes auf den sonnigen Plätzen der Altstadt. Man genießt den kurzen Sommer und verdient sich offenbar mit Zweitjobs das nötige Kleingeld.
4. Schlussbemerkung zu unserer Island Rundreise
Der Erfolg einer solchen Gruppenreise hängt maßgeblich von einer guten Planung und Organisation ab. Hierfür möchte ich mich sehr herzlich bei Frau Epp von Nordwind Reisen bedanken, die uns mustergültig beraten und alle Sonderwünsche klaglos erfüllt hat. Ebenso bedanke ich mich nochmals bei unserer Reiseleiterin Svava, die mir nach der Reise schrieb, „dass wir ihre beste und problemloseste Gruppe des Sommers waren.“ Diesem Lob schließe ich mich als ihr „Unterreiseleiter“ und Initiator der Reise vorbehaltslos an:
Liebe Freunde, es war ein Vergnügen, mit Euch zu reisen!
Esslingen, August 2016 Klaus Weidner